Kennt ihr diese Geschichten die irgendwann ihrer Zeit eine gewisse Bestimmung erhalten? Ja? Genau in so einer lebe ich. Geboren wurde ich in eine Familie, die sich mit den Jahren zu einer Großfamilie mit 5 Kindern entwickeln sollte. Chaotisch, durcheinander aber genau dafür lieben wir einander doch auch irgendwie. Das Chaos war bereits vorprogrammiert bevor wir zu einer wirklichen Großfamilie mutiert sind. Schon bei meiner Geburt waren meine Eltern so durcheinander, dass sie meinen älteren Bruder beinahe Zuhause vergessen hatten. Mein Vater war so durch den Wind, hoffte er hatte alles für die Geburt dabei, dass er bereits im gestarteten Wagen saß, als ihm einfiel, dass mein Bruder noch Zuhause war. Nachdem er also den Rückwärtsgang eingelegt hatte, sammelte er meinen Bruder ein um dann endlich zum Krankenhaus zu fahren. Ehrlich gesagt, war es ein Wunder, dass wir nicht ausgeraubt wurden denn in der Hektik in der er meinen Bruder eingesammelt hatte, hatte er vergessen die Tür hinter sich zu schließen. Eine Sache, die in den folgenden Jahren immer häufiger vorkam und wahrscheinlich irgendwann als typisches Familienfiasko abgestempelt werden konnte. Doch an diesem Tag... Naja man konnte sagen die Nachbarskatze hatte sich gefreut mal unser Haus durchsuchen zu können und machte es sich in der Abwesenheit der Hausbesitzer auf dessen Couch bequem. Ich wurde vor 29 Jahren in diese Welt geboren. In eine Welt die für mich zu diesem Zeitpunkt so groß und unerreichbar war. In eine Welt, in der ich niemanden kannte weil ich gerade erst zum aller ersten Mal die Augen geöffnet hatte und eigentlich noch gar nichts wirklich erkennen konnte. Aber da waren Stimmen von Personen mit denen ich im Blut verwandt war, sodass gleich ein Band zwischen ihnen und mir entstand. Als ich 2 Jahre alt war, bekam ich einen kleinen Bruder und wurde somit zur stolezn, großen Schwester die ihren kleinen Babybrother abgöttisch liebte. Er war für mich etwas ganz Besonderes. Wie eine Art Schatz. Gut... zumindest bis er anfing zu laufen und mir meine Sachen wegzunehmen. Dann wurde er irgendwie nervig. Nicht, dass ich ihn jetzt nicht mehr liebte oder um mich haben wollte. Aber trotzdem war es anfangs nervig, dass er all das haben wollte was ich irgendwie in den Grabschern bekommen hatte. Aber auch dies legte sich irgendwann, sodass ich eigentlich sogar gern mit ihm Dinge teilte.

Man konnte sagen, dass ich ein wirklich chaotisches Kind war. Ich wollte keine Kleidchen tragen... nein ich wollte lieber im Matsch spielen. Ich färbte die Nachbarskatze ein, indem ich sie mit pinker Handfarbe bemalte, ich brachte Krabbeltiere mit nach Hause und nannte diese dann meine Haustiere. Es ging viel kaputt durch mich und die Tatsache, dass ich gern Fußball im Haus zu spielen versuchte. Nicht unbedingt die beste Idee aber mein Kinderhirn wollte das natürlich noch nicht wirklich verstehen. Bis ich versehentlich die Urne meiner Großmutter mütterlicherseits zerstört hatte. Seitdem waren Bälle im Haus verboten. Ein Sorry an meine kleinen Geschwister, die durch mich das Verbot für Bälle im Haus bekommen hatten.
Irgendwann waren wir 5. 5 Kinder auf zwei Eltern die manchmal damit absolut überfordert waren. Aber sie machten ihre Sache gut. Sie wuchsen irgendwie hinein in diese Großfamilienrolle und organisierten sich. Zumindest zum Großteil der Zeit. Die andere Zeit über war es einfach nur chaotisch und durcheinander. Allerdings entwickelten wir alle mit den Jahren ein Nervenkostüm aus Stahl, sodass uns jede noch so große Katastrophe eigentlich egal war. Wir meisterten sie irgendwie. Meist endete die Katastrophe damit, dass wir alle in lautes Gelächter ausbrachen. Letztlich war bei uns alles so, wie man es sich in einer chaotischen Großfamilie vorstellte. Liebevoll, durcheinander, laut. Die wohl drei wichtigsten Worte für die Forsythes.

Mein Leben war eigentlich ein recht einfaches. Ich hatte viele Freunde, ich genoss es in großen Kreisen unterwegs zu sein, weil ich von Zuhause gar nichts anderes gewohnt war und ich erlebte die typischen Teenagermomente. Der erste Kuss bei dem man so unglaublich nervös ist, dass es bis von Kopf bis Fuß kribbelte um dann doch festzustellen, dass man sich den Kuss irgendwie spannender vorgestellt hatte. Weitere Küsse folgten bis man irgendwann dem Jungen begegnet war, der auch noch hinterher dieses Kribbeln ausgelöst hatte. In meinem Fall war es Andrew. Er sah gut aus, er war Footballer auf der Highschool und er faszinierte mich. Und irgendwie schien es ihm genauso zu gehen. Wie gesagt, er löste dieses gewisse Kribbeln in mir aus, welches das Herz zum rasen brachte und zeitgleich ein Rauschen in die Ohren trieb. Er berührte mich auf eine emotionale Basis, die ich wahrscheinlich noch heute wahrscheinlich nicht verstehen würde. Als wir uns kennenlernten waren wir 16. Wir wurden zu Freunden. Von Freunden zu besten Freunden und mit 18 kam der Moment in dem wir uns küssten. Und irgendwie wurde daraus mehr. So viel mehr, dass ich mit 23 vor dem Altar stand und ihn heiraten wollte. Zeitgleich schwanger von ihm, was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht wusste.

Aber hatte ich nicht etwas davon erzählt, dass es Geschichten gibt, die eine gewisse Bestimmung zugeschrieben bekamen? Richtig. Andrew war vielleicht eine dieser Bestimmungen. Doch würde diese erst später folgen. Weit hinter dem Moment in dem ich seine Hand hielt. Nicht weil ich ihm das Ja-Wort gab. Nein. Andrew war einer dieser seltenen Fälle, der urplötzlich anfing aus Nase und Mund zu bluten. Er wurde ohnmächtig, und sein Herz hörte auf zu schlagen. Er wurde wiederbelebt und sofort ins Krankenhaus gebracht. Dort hörte sein Herz in der folgenden Nacht erneut auf zu schlagen und er wurde in eine Spezialklinik gebracht und verstarb letztlich zwei Tage später. Die Ursache für das plötzliche Bluten? Er sei einer Gehirnschwellung erlegen, die den Druck auf den Schädel erhöht und das Atmungssystem sowie weitere wichtige Körperfunktionen beeinträchtigt habe, ohne dass er es selbst zuvor gemerkt habe.

Als die Beerdigung anstand, war mir nichts perfekt genug. Ich war vollkommen durcheinander, vollkommen überfordert und vollkommen auf Strom. Zusammen mit seinen Eltern saß ich bei diesem Bestatter und fühlte mich einfach nicht wirklich aufgehoben. Irgendwas fehlte mir und ich wusste nicht was es war. Also redete ich so lang auf die beiden ein, bis wir nach dem 3. Bestatter dann auch endlich einen gefunden hatten, der uns bei meinen und ihren Vorstellungen helfen konnte. Doch die Tatsache, dass es dafür 3 Bestattungsinstitute bedarf, hatte bei mir schon den Grundstein für meinen Zukünftigen Job gelegt.

Ich versuchte in die Wohnung zu gehen die wir bereits gekauft hatten, welche wir eingerichtet hatten und in welche wir kommen wollten wenn wir verheiratet waren. Doch ich konnte darin kaum atmen. Es fühlte sich alles so falsch an. Die Tatsache, dass er diese Wohnung nie betreten würde. Die Tatsache, dass es keinen Tag gegeben hatte an dem er hier den typischen Geruch seines Lieblingskaffees riechen konnte oder mich lauthals mein Lieblingslied mitsingen hören konnte, riss mir den Boden unter den Füßen weg und brachte mich dazu mich ins Badezimmer zu stürzen und zu übergeben. Dass für die Kotzerei eine Schwangerschaft der Grund war, konnte ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen.

Wenige wochen später wurde es mit dem Übergeben immer schlimmer, mir war ständig übel, ich hatte das Gefühl ich konnte gewisse Gerüche nicht mehr ertragen. Doch die viel wichtigere Sache die mir auffiel, war die Tatsache, dass meine Preiode ausblieb. Ob ich zu dem Zeitpunkt des positiven Ergebnisses beschreiben konnte was ich fühlte? Nicht einen Moment. Keine Sekunde konnte ich einschätzen, was wirklich in mir vorging. Ich wusste nicht wie ich das alles anstellen sollte. Doch ich wusste vor allem eins, meine Familie stand hinter mir und ich wusste, dass sie mir irgendwie helfen würden.

Und heute? Heute lebe ich mit meiner 5 jährigen, blind geborenen Tochter in der Wohnung in der eigentlich noch eine dritte Person wohnen sollte. Andrea liebt ihr Leben und sie liebt die Welt auch ohne sie sehen zu können. Dieses kleine Wunder macht einfach jeden Menschen auf ihre Art und Weise glücklich.
Irgendwann entschied ich mich auch endlich dafür, den Job als Bestatterin zu machen. Ich wollte den Menschen die Möglichkeit geben bei mir Halt zu finden, ich wollte ihnen den letzten Abschied so angenehm wie möglich machen. Aber vor allem konnte ich mir damit selbst am Meisten helfen. Damit über den Tod meiner Liebe wegzuhelfen.

Wir schreiben das Jahr 1996 in welchem Marielle Alvarez das Krankenhaus Garlands zusammen schrie. Es war der 7. April, ein regnerischer Tag, an welchem ihre erste und einzige Tochter Virginia geboren wurde. Sie machte es ihrer Mutter schon bei der Geburt nicht leicht, sodass diese die Hand der Krankenschwester beinahe brach. - Ja, die Krankenschwester musste leiden, weil Virginias Vater die Flucht ergriffen hatte, nachdem er von der Schwangerschaft erfahren hatte. Und als wäre dies schon nicht genug gewesen hinterließ er seiner Frau Schulden, nicht viele, aber ausreichend, um das Leben der mittelschichtigen Dame in die Unterschicht zu katapultieren. Demnach wuchs das dunkelhaarige Mädchen in keinen guten Verhältnissen auf, beschwerte sich jedoch nie. Für Ginny gab es nur ihre Mutter und sie; das Dreamteam. Doch hielt dies nur bis zu zu Virginias 18. Lebensjahr. An ihrem Geburtstag lernte sie den neuen Mann ihrer Mutter kennen; kein scheinheiliger Typ. Der typische Trinker, welcher nichts auf die Kette bekam und keineswegs eine Bereicherung für die Familie darstellte. Virginia mochte ihn von Anfang an nicht, gab ihm jedoch eine Chance, solange ihre Mutter glücklich war, war sie es auch. Doch von Glück konnte bereits nach einigen Monaten nicht mehr die Rede sein - viel eher von Qual. Er zog zu ihnen, bekam seinen Arsch nicht hoch und gab all das Geld, für welches Virginias Mutter hart arbeitete, lediglich für seinen Alkohol aus. } Das typische Klischee. Ihre Mutter kam dennoch nicht von ihm los, suchte sich einen weiteren Job, um alles über Wasser zu halten. Und das, obwohl der Mann sie regelmäßig erniedrigte und demütigte. Dass er die Hand gegenüber der Mutter nicht erhob war schon ein Wunder. Immerhin würde dies voll ins Klischee und auch zu ihm passen. Für Virginia war das Verhalten und die Abhängigkeit ihrer Mutter unerklärlich, doch jedes Gespräch, welches sie suchte, wurde abgeblockt, als rede sie gegen eine Wand. Die Situation zu Hause führte dazu, dass Ginny es mied ihre Freizeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Sie machte die Nacht zum Tag, vernachlässigte die Schule. Doch genau wie die Versuche ihre Mutter wachzurütteln, ignorierte diese auch die schulische Laufbahn ihrer Tochter. Bis zu ihrem 21. Lebensjahr, also bis zu ihrer Volljährigkeit, blickte sich die Brünette das Leben ihrer Mutter an, stellte sie dann aber vor die Wahl. Entweder ihr Mann oder sie, ihre Tochter. Es zog Virginia runter ihre Mutter in diesem Zustand zu sehen, wie sie kaum ein Auge zu machen konnte und ständig arbeitete. Dass sich ihre Mutter gegen sie entschied hatte sie zwar in Kauf genommen, aber nicht wirklich erwartet. Demnach traf es sie tief, als es tatsächlich so kam. Noch in derselben Nacht haute sie ab, verließ ihr zu Hause und fing an in einem Diner zu arbeiten. Anfangs kam sie bei einer Freundin unter, doch eine Dauerlösung war dies nicht. Doch konnte sich die Brünette mit dem Geld und Trinkgeld eine kleine Wohnung finanzieren.